Team Tempo-Sport - exersciences
71 Team Rider mit einem gemeinsamen Ziel: Speed and Emotions

Montag, 7. Oktober 2013

Im Trailhimmer: 2. Frau am Morenic Trail!


Auch zwei Tage nach dem Rennen habe ich noch keine Erklärung für das, was am 5. Oktober in Italien passiert ist. Ohne grosse Ambitionen reiste ich in den Piemont, um den Morenic Trail in Angriff zu nehmen. Aufgrund meiner Zeit vor einigen Jahren am Swissalpine Marathon (welcher meines Erachtens aufgrund der Häufigkeit der Verpflegungsposten und dem Fehlen einer Pflichtausrüstung, sprich Gepäck, kein richtiges Trailrennen darstellt), rechnete ich mit einer Zeit um die 16 Stunden, wenn es wirklich gut laufen sollte.

Der Start erfolgte um 9 Uhr morgens und der erste Halbmarathon führte mehrheitlich bergab. So lag ich nach 21km beim ersten grossen Verpflegungsposten, welcher auch Wechselpunkt für die 4er-Staffeln bedeutete, genau in meinem Zeitplan. Die Stimmung dort war grossartig und ich erfuhr, dass ich an zweiter Stelle bei den Frauen lief. Ich war etwas überrascht und fürchtete, die Downhill-Passage wohl etwas zu schnell angegangen zu sein. Von nun an verlief die Strecke stetig bergauf und bergab. Ich hatte keine Ahnung, wie schnell ich laufen konnte und so versuchte ich, gar nicht gross über mein Tempo nachzudenken und einfach zu laufen.

Kurz vor Rennhälfte lief ich auf die Führende Denise Zimmermann auf. Wir liefen gemeinsam bis zum Verpflegungsposten, dort liess ich sie wieder ziehen, um mich in Ruhe zu verpflegen. Meine Beine wurden langsam richtig schwer, dabei war ich erst bei km 56 von 110! Ich fürchtete, der Tag würde noch sehr lang werden. Bei km 66 erwartete mich meine Mutter, um mich für den letzten Marathon zu motivieren. Ich setzte mich für 10min auf die bereitstehenden Liegestühle, trank reichlich Cola und ass Schokolade.


An den Verpflegungsposten und Checkpoints wurde ich von Helfern und Betreuern immer begeistert angefeuert, mir war allerdings während des Rennens gar nicht bewusst, wie weit vorne ich eigentlich lief. Die nächsten Kilometer führten wieder bergab und so bekam ich bald etwas Knieschmerzen. So nahm ich zumindest bergab etwas Tempo raus. Plötzlich begegnete ich Denise wieder, sie hatte sich kurzzeitig verlaufen. Gemeinsam mit zwei männlichen Mitstreitern fanden wir schnell wieder den richtigen Weg. Bergab liess ich die drei dann ziehen.

Bei km 91 war der letzte grosse Checkpoint und von dort führte die Strecke fast nur noch bergan zum höchsten Punkt des Rennens. Es dunkelte gerade ein und die Stimmung war grossartig. Viele Staffelläufer warteten dort auf ihre Ablöse und der Jubel war beinahe frenetisch. Mir wurde ein Rückstand von einer Minute auf Denise durchgegeben, aber ich konzentrierte mich ganz auf mich selbst. Der Anstieg war teilweise sehr steil, zwischendurch konnte ich aber immer wieder ein Stückchen laufen. Die Dunkelheit erschwerte das Ganze noch. Plötzlich liefen wir in den Nebel, man konnte kaum noch 2m weit sehen! Mit zwei Stirnlampen erleuchtete ich den Waldboden unter mir, um nicht vom Trail abzukommen. Die Trassierbänder, die den richtigen Weg markierten, waren immer erst sichtbar, wenn man direkt davorstand. Es war schon etwas unheimlich! Ab und zu wurde ich von Männern überholt, ich realisierte aber erst im Ziel, dass dies nur Staffelläufer gewesen waren. Mein Italienisch wurde während dem Rennen auch immer besser. Am Ende konnte ich mich sogar mit den Helfern an den Verpflegungsposten unterhalten.

Der Nebel brachte mich beinahe zur Verzweiflung, so war ich unendlich erleichtert, als wir endlich die Strasse erreichten, welche uns nach Brosso hineinführte. Den letzten Kilometer lief ich gemeinsam mit Fulvio, einem italienischen Läufer. Wir finishten gemeinsam knapp unter der 13-Stunden-Marke.

Die Stimmung im Ziel war grossartig und ich wurde gleich von den Organisatoren interviewt. Die Überraschung war auch bei ihnen sehr gross, es hatte wohl niemand damit gerechnet, dass ich so schnell sein würde.



Hier die Fakten:
Laufzeit 12:59 Stunden für 110km mit ca. 2300hm (alter Streckenrekord betrug 14 Stunden)
2. Frau mit einem Rückstand von 10min
7. overall (nur fünf Männer und eine Frau waren schneller!) von 110 Startern

Ich bin einfach überglücklich! Gerade nach dem Gigathlon ist dieses Resultat extrem wertvoll für mich.

LET´S RUN!



Donnerstag, 3. Oktober 2013

Und dann: Zeitfahren WM Florenz

Dieses Jahr wollte ich generell fitter werden auf dem Rad. Mir die Form durch Rennenfahren holen, die sogenannte Rennhärte. Bis vor einem Jahr konnte ich mir unter dem Wort “Rennhärte” gar nicht so viel vorstellen. In diesem Jahr habe ich erlebt, was es bedeutet: war ich an der ersten Rundfahrt im Frühling in Holland noch nach jedem Rennen völlig im Eimer, so musste  ich mir an der Ardèche-Rundfahrt nicht mehr jeden Tag überlegen, wie ich überhaupt über die Runde kommen soll. Der Körper hat adaptiert und lässt mich mehrtägige Riesenefforts mal mehr, mal weniger gut absolvieren.
5 UCI Rundfahrten bin ich dieses Jahr gefahren, 3x mit der Schweizer Nationalmannschaft, 2x in Mixed Teams. Letztes Jahr war es genau eine UCI-Rundfahrt. Im Jahr davor, 2011, mein erstes lizenziertes Jahr, waren es total nur 5 nationale Rennen, die ich bestritten habe.

Am Chrono Champenois, einem Zeitfahren über 33km, welches Mitte September in der schönen Gegend Champagne stattfand, startete ich als eine von drei WM-vorselektionierten Schweizerinnen. Dieses Zeitfahren galt als letztes Selektionskriterium für die WM Teilnahme. Es wäre gelogen wenn ich sage, dass ich nie und nimmer an die WM gedacht hätte; zu gross ist mein Ehrgeiz. Aber gleichzeitig bin ich auch sehr realistisch und mache mir nichts vor: ich bin im Alter wo Leistungssportler normalerweise zurücktreten und habe erst 2 Jahre Rennerfahrung. Umso erfreulicher, wenn Leistung anerkannt und honoriert wird: ich absolvierte die Runde als schnellste Schweizerin und wurde am Dienstag, genau eine Woche vor dem WM-Zeitfahren, vom Nationalcoach selektioniert. Ich kann nicht in Worten beschreiben, wie gross meine Freude war!! Ich war und bin sowas von glücklich! Die verbleibende Woche nutze ich, um nochmals harte Einheiten auf dem ZF-Rad zu absolvieren und auch, um mich mental auf dieses Grossereignis vorzubereiten. Ich weiss, dass ich wahnsinnig nervös werden kann. Und das muss ich möglichst zu verhindern versuchen, denn es kostet viel Energie.

Am Sonntag reisten wir nach Florenz. Auch hier alles neu für mich: von den U19 Fahrern bis hin zum grossen Schweizer Männer Top Shot Cancellara sind auch viele Betreuer von Swiss Cycling vor Ort. Wir sind in einem schönen Hotel ausserhalb untergebracht, das Essen ist sehr gut und vielfältig. Alle Athleten erhalten einen Goodie-Bag, welcher auch die Kleider und Rennanzüge beinhaltet. Bei meinem ist das Tempo-Sport Logo drauf :-) Mit den U19 gehe ich am Montag den Parcours anschauen. Gemeinsam fahren wir Kurven mehrmals ab. Am Abend werde ich nervös. Die Anwesenheit von Cancellara und Co. machen mich unsicher, ich frage mich: Was mache ich hier eigentlich?! Das sind alle Profis, die seit Jahren diesen Sport auf höchstem Niveau ausüben. Später habe ich ein Gespräch mit dem National-Coach; wir besprechen wie er mich anfeuern soll, wie wir das Warm-up gestalten und gehen den Tagesablauf vom Renntag durch. Ich erzähle ihm von meiner Unsicherheit - welche Kehrseite von meinem Ehrgeiz, meiner Fokussiertheit und Selbstsicherheit ist. Durch das Gespräch komme ich wieder zur Ruhe, denn ich bin nicht grundlos hier: ich habe mir meine Leistung durch viele harte Trainingsstunden, Verzicht und emotionalem Einsatz hart erarbeitet. 

  
Renndress mit Tempo-Sport Logo und Parcoursbesichtigung
Renntag: 3 Stunden vor meinem Start fahren wir los, der Nationalcoach und ich. Die Stimmung ist entspannt und wir plaudern über dies und das. Wir kommen in Florenz an und suchen den Teambus. Nicht irgendein Teambus: die Schweizer Nationalmannschaft darf den Teambus vom RadioShack Team benutzen. Luxus pur! Für einmal muss nicht ein Büschlein oder sonst ein versteckter Winkel aufgesucht werden! In Ruhe kann ich mich umziehen, mir von unserer tollen Physio die Beine massieren, von unserem Mechaniker die Startnummer anstecken lassen, die Strecke im Kopf nochmals durchgehen, mich fokussieren. Eine Stunde vor Start gehe ich auf’s Rad auf der Rolle für mein Warm-up. Das Schweizer-Käppi tief in die Stirn gezogen; Musik im Ohr: ich will möglichst nichts um mich herum mitkriegen und mich nur auf mich konzentrieren.


Eine Viertelstunde vor Start macht mich der Nationalcoach darauf aufmerksam, dass ich los muss. Der Mechaniker nimmt mein Rad von der Rolle, montiert die Scheibe und auf geht’s zur Startrampe. Dort kann ich die verbleibenden 10 Minuten mit dem Strassenrad nochmals auf eine Rolle, um die Beine bei Laune zu halten. Der Mechaniker zeigt unterdessen das ZF-Rad dem UCI-Kommissär. Ich bin sehr angespannt, aber nicht fahrig nervös. 
4 Minuten vor Start. Ich setze mich auf den Stuhl vor der Rampe. 2 Minuten vor Start bin nun ich an der Reihe. Ab auf die Rampe, auf’s Rad. Auf meinem Lenker steht: Enjoy & Smile. Ich lächle, unglaublich, ich darf jetzt zeigen was ich kann, was ich mir erarbeitet habe. Fünf, vier, drei, zwei, eins und los.

  
Los geht's!

Ich kann hier nicht genau beschreiben, was im Rennen passiert. Man ist einfach sehr fokussiert, leidet, versucht, noch mehr aus sich rauszuholen, dem Leiden nicht nachzugeben. Ich höre die Stimme des Nationalcoaches, die mich anfeuert, mich über die Strecke informiert.

Bei der ersten und zweiten Zwischenzeit liege ich auf Platz 2 respektive 3. Den letzten Drittel fahre ich mit neuer Bestzeit, die ich bis ins Ziel halten kann. Daher darf ich auf dem sogenannten “hot seat” Platz nehmen. Das fühlt sich hervorragend an. Mich überkommt ein extremer Motivationsschub! Ich will noch mehr! Ich will noch härter arbeiten! Ich will besser werden! Der Nationalcoach und die schweizer Betreuer freuen sich extrem mit mir und ich bin unglaublich glücklich. Nach knapp 10  Minuten fährt eine dänische Athletin neue Bestzeit, und ich gebe den hot seat frei. Ein paar Minuten darf ich auf Platz 2, dann auf Platz 3 und noch kurz auf Platz 4 Platz nehmen. Dann bin ich aus den Top 4 raus.



Schlussendlich beende ich meine erste Weltmeisterschaft auf Platz 21, um 3 Sekunden verpasse ich die Top 20. Ich bin zufrieden, aber ich bin auch selbstkritisch: es gibt noch so vieles, was ich hätte besser machen können. Diese Punkte habe ich im Kopf, und ich freue mich, daran zu arbeiten und meine Leistung zu perfektionieren.

Danke dem Tempo-Sport Team, speziell René und Bruno für die tolle Unterstützung materialmässig, aber auch für die vielen aufmunternden Worte... Sie bedeuten mir sehr viel! Danke auch der Swiss-Cycling Crew: Christian, Livio und Rachel für die Betreuung vor Ort, Christian für’s Anfeuern im Rennen und die geteilte Freude im Ziel! Ihr alle gebt mir die Motivation, besser zu werden! In diesem Sinne: “You are never too old to set another goal or to dream a new dream.” C. S. Lewis


Es ist aber noch nicht ganz vorbei... Am 20. Oktober starte ich noch am Chrono des Nations, dem letzten UCI-Zeitfahren dieses Jahres. Ig fröi mi!!