Drafting bedeutet, zumindest im triathlon-spezifischen Sprachgebrauch, Windschattenfahren auf dem Rad. Das Drafting ist in den meisten Wettkämpfen verboten. Ausnahme sind hier die Pro‘s auf der Olympischen Distanz (an Weltcup‘s oder spezielle Pro-Rennen). Die zweite Disziplin ist also eine Prüfung gegen die Zeit, die jeder für sich alleine zu bewältigen hat.
Die Wirklichkeit sieht leider sehr oft etwas anders aus. Wie an einer Perlen-Kette aufgereiht preschen die Wettkämpfer manchmal über die Wettkampfstrecke. Häufig mit der klaren Absicht, den stärkeren Radfahrern zu folgen und somit viel Energie und Zeit zu sparen.
Man ist müde, vor sich ein Feld von 15 Fahrern. Man kommt ran – die Verlockung sich der Gruppe anzuschliessen, kurz etwas ausruhen, ist zugegeben sehr gross.
Fährst du vorbei, merkst aber, dass sich nun eine Menschen-Kette an dich geheftet hat, bist du wohl auch nicht bereit, bei nachfolgenden Überholmanövern der Profiteure brav einen Abstand zu halten…Ausgleichende Gerechtigkeit kann man sagen. Doch soweit sollte es gar nicht kommen.
Es existieren klare Regeln, welche die Abstände des Hinteren zum Vorderen definieren. Je nach Wettkampf sind es zwischen Vorderrad des Vorderen und Vorderrad des Hinteren Athleten/Athletin mindestens sieben bis zehn Meter (seitlich 2 M). Selbst wenn diese Abstände eingehalten werden, kann der Verfolger noch von etwas Windschutz und mentaler Unterstützung profitieren. Nur leider werden diese Vorschriften oft missachtet! Zum Leidwesen der starken Radfahrer.
Schiedsrichter, sogenannte Race-Marshals, sind auf Motorrädern unterwegs und kontrollieren, ob die Regeln eingehalten werden. Ihnen stehen verschiedene Strafmassnahmen zur Verfügung, welche sie mit farbigen Karten anzeigen und je nach Wettkampflänge unterschiedlich sind. Die "schwächste" Strafe ist die Stop‘n‘-Go, welche meist bei kurzen Wettkämpfen eingesetzt wird. Dann gibt es die Verwarnung (gelbe Karte Halt bei der nächsten Penalty-Box), eine Zeitstrafe von 3 bis 6 Minuten (schwarze Karte in der Penalty-Box "absitzen") oder die sofortige Disqualifikation (rote Karte). Details dazu unter:http://www.swisstriathlon.ch/PortalData/1/Resources/documents/verband/reglemente/2009/Wettkampfreglement_2009.pdf.
Wenn es doch nur so einfach wäre, denn es klingt ja alles geregelt mit den Strafen. Manch fehlbarer Athlet wird so auch sanktioniert (gibt auch Fälle da erwischt es leider die falschen…!), aber das Problem ist viel tiefer begraben.
Zu viele Athleten, zu wenig Schiedsrichter
Im Verhältnis zu den vielen Teilnehmern stehen zu wenige Race-Marshals zur Verfügung. Wie soll ein Schiedsrichter vorgehen, wenn er an ca. 30 Athleten heranfährt, die zu wenig Abstand halten? Was macht er? Er beobachtet meist das Geschehen. Fährt dann an ein besonders auffälliges Individuum heran und handelt nach Ermessen. Er lässt sich dann vielleicht noch einmal etwas zurückfallen, beobachtet und fährt weiter vor in der Kolonne. Wenn nötig wiederholt er den Vorgang. Wobei, während der Anwesenheit des "Gesetztes" sind die meisten ganz brav und halten Abstand. So braust er auf seinem Motorrad davon. Was will er sonst auch machen. Es werden ja wohl nicht die einzigen Verdächtigten sein. Daraus lernen wir – es erwischt immer mal wieder einen oder zwei. Jetzt ist er aber weg. Also "draften" wir weiter.
Doch wie kann man diese Umstände lösen? Mehr "Kontroll-Organe"? Es sollen am Ende ja nicht mehr Motorräder als Radfahrer auf der Strecke sein, aber ein paar mehr dürften es schon sein. Aber die finanzieren sich halt nicht von selbst...
Weniger Athleten? Nehmen wir an es kommen etwa 400 Athleten (Zahl geschätzt!) innerhalb 1:00h und 1:05h aus dem Wasser (Ironman), dann wechseln die ziemlich gleichzeitig auf die Radstrecke. Bis sich diese in der Fläche verteilen… Auf den ersten Kilometern kann man also überhaupt nichts machen. Muss man auch nicht gross. Meist ist das Leistungsvermögen noch zu unterschiedlich und wenige können profitieren. Die einen haben keine Chance die Pace zu halten, die anderen müssten dauernd bremsen. Mit der Dauer des Rennens ändert sich dies aber. Man findet seines Gleichen. Die Tendenz zu lohnenden Draftings steigt. Da muss eingegriffen werden.
Ein kleineres Teilnehmerfeld würde das Problem entschärfen, nicht jedoch beseitigen. Weniger Teilnehmer wäre aber eben zum Nachteil des Veranstalters… Ich hoffe an dieser Stelle, dass in Zukunft nicht noch mehr Massen abgefertigt werden.
Drafting muss aber nicht immer mutwillig sein. Die Regel besagt, dass ein überholter Athlet für die Wiederherstellung des Mindestabstandes verantwortlich ist. Werde ich also überholt, muss ich mich zurückfallen lassen. Ich muss mein Tempo reduzieren. Denn oft kommt der vermeintlich schnellere Athlet nicht entscheidend schneller voran. Oder ich überhole wiederum. Dieses Hin und Her kostet jedoch Energie. Da kommt es immer wieder zu blöden Situationen und vermutlich wird der falsche Athlet bestraft.
Fazit:
Es gibt wohl kein Rezept, welches das untersagte Windschattenfahren aus der Welt zu schaffen vermag. Wenn man rigoroseres Durchgreifen fordert, kann das abschreckend wirken. Was gut ist!! Aber es wird dann auch ganz viel Fingerspitzengefühl der Schiedsrichter notwendig. Wir wollen ja auch keine Wettkämpfe, an welchen übertrieben kleinlich gepfiffen wird. Nicht in jeder Aktion steckt pure Absicht. Was nützt es jenen zu belangen, welcher "per Zufall" in einen Pulk gerät (passiert schnell…)? Jeder Athlet muss sich bewusst sein, ob er seine Leistung fair erbringen will oder eben nicht. Gelegentlich muss er von Offiziellen auf unmissverständliche Art und Weise daran erinnert werden!
Gerade am IM Switzerland war das Drafting offensichtlich ein grösses Problem. Ich hoffe, dass dies weiter verbessert werden kann!
Alles in allem machen die aktiven Marshals ihre Arbeit gut! Sie können auch nichts dafür, dass sie oft krass unterdotiert sind.
Sandro
Im Radsport normal, im Triathlon verboten - Drafting