Team Tempo-Sport - exersciences
71 Team Rider mit einem gemeinsamen Ziel: Speed and Emotions

Donnerstag, 17. November 2011

Hot 'n' Cold...

Wusstet ihr eigentlich, dass über 90% der schweizer Bevölkerung auf die Frage, wie sie sich auf einer Skala von 1 bis 10 gerade fühlen, mit "fünf" antworten? Denkt einmal kurz darüber nach, was das denn eigentlich heisst. Eins, das steht für "mir geht's hundsmiserabel, die Welt ist ein Ort, an dem die Sonne nie scheint und zudem noch gegen mich". Zehn ist im Gegensatz dazu "mir geht's super, ich liebe das Leben und alles, was es so zu bieten hat".
Logischerweise würde fünf also bedeuten - Durchschnitt. Naja. Es geht so. Könnte besser sein...
Wenn man sich das einmal überlegt heisst das ja, dass er dem allergrössten Teil der Leute besser gehen könnte, oder nicht?
Um Fehlschlüssen vorzubeugen: ich bin kein dauerhaft gut gelaunter Strahlemann den nichts umhauen kann und der jeden Tag damit beginnt, erst einmal all seine Stofftiere und dann den Rest der Welt zu umarmen. Dass wir nicht immer in Herzepinkystimmung sind ist klar - doch ist ein dauerhaftes "es könnte besser sein" nicht grässlich?
Ich stelle mir diese Fragen aus diversen Gründen. Zum einen ist es November, es wird langsam kalt draussen, kurze Hosen (und Röcke) und Tanktops weichen dicken Pullovern in meist eher tristen Farben und lächelnde Gesichter werden auf der Strasse zu Mangelware. Nichts neues an sich - "das ist halt so".
Was mir gestern Morgen allerdings so richtig zu denken gab und was mich auch zu diesen Zeilen veranlasst war eines dieser Schundhefte, die sich stolz als "Zeitung" betiteln und die es an jedem Bahnhof gratis mitzunehmen gibt. In diesem Falle hiess das Pamphlet "20minuten Friday" und war, wie man schon dem Titel entnehmen konnte, einige Tage alt.
"Glamour-Magazin", hiess es da. "Unser Model in New York", schrie mir die Titelseite entgegen. Und so weiter... mir wurden da sen-sa-tio-nelle Insights in das "Leben der Prominenten" versprochen, die absolut aktuellsten News zu Typen wie Justin Bieber oder die 16-jährige Sereina aus Brütten... nun, um es kurz zu machen: auf Seite drei angelangt fühlte ich mich ebenfalls etwas medioker und hätte die Gretchenfrage sofort mit einem "es könnte besser gehen" beantwortet.
Warum dies?
Nun - einmal ganz abgesehen von einem Sturm von Informationen in Form von Farbfotos, die irgendwelche sogenannte Promis zeigten und deren Unterschriften fantasievoll mit "Skandal!" oder "er betrügt sie/sie betrügt ihn/er betrügt es" begannen (und deren Inhalte anschliessend so formuliert waren dass sie auch ein imbeziler Frühkiffer aus Spreitenbach noch verstanden hätte) fand ich da ein Textfeld, dessen Inhalt ich gerne mit euch teilen möchte. Und zwar das "In & Out" der Woche. Passt auf, hier kommt es:
Per vergangenem Freitag ist also "In", Gelb mit Schwarz zu kombinieren, "X-Factor"-Partys zu veranstalten und sich auf "Breaking Dawn" zu freuen.
"Out" ist es hingegen, sich einen schwulen besten Freund zu suchen, die zu frühe Weihnachtsbedröhnung in den Läden und Justin Bieber's angebliche Baby-Mama.
Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich absolut Out, uncool und vermutlich mit meinen 25 Jahren bereits altes Eisen bin. Denn: Gelb und Schwarz? Nun, Biene Maja und die Tigerente sollten Bestandteil einer jeden gesunden Kindheit sein - brauchen wir ein Schundheft, um das zu wissen? Dann "X-Factor" - was ist das? Da ich in einer Fernsehlosen Welt glücklich lebe musste ich das erst einmal Googlen, mit dem Effekt, auf einmal für meine Unwissenheit dankbar zu sein. Und "Breaking Dawn"? Dass das ein Buch über katholische, keusche Vampire ist (an dieser Stelle: BITTE?) weiss ich noch - das ist aber bereits längst veröffentlicht, oder sehe ich das falsch? Wieder Google, und siehe da: die Rede ist wohl vom gleichnamigen Spielfilm. Können die Leute denn heute nicht mehr lesen? (Diese Frage konnte ich mir an Ort und Stelle bei einem weiteren Blick auf den Rest der Seite selbst beantworten - offenbar nicht).
Beim "Out" war ich ebenfalls reichlich überfordert: einen schwulen besten Freund zu haben? Der einzige Reim, den ich mir auf diese Zeile machen kann ist der, dass das wohl für junge, hippe Frauen gemeint ist - oder eben nicht mehr hip, seit letztem Freitag. Zu frühe Weihnachtsbedröhnung? Dass mir Nikoläuse im August gehörig gehen den Strich gehen weiss ich bereits seit einigen Jahren - hier stellt sich die gleiche Frage wie vorhin: brauchen einige Leute tatsächlich ein Klatschheft, um dies zu merken? (Ich stelle mir das in etwa so vor, neulich in der Platte: "Schatz, stell' dir vor, die ham angefangen mit der Weihnachtsdeko bei Aldi!" - "Sonst noch was? Das ist voll out, ey - steht im 20min Friday!")
Und schliesslich: wer ist eigentlich Justin Bieber? (Google weiss es ebenfalls, doch ich überlasse es euch, diese wertvollen Infos zu sammeln...)
Möglicherweise ist es genau dieser Fluss von unnötigen Informationen, der das Novemberloch noch tiefer schaufelt. Wir schlagen diese Magazine, Zeitungen und Heftchen auf und es wird uns präsentiert, was wir zu denken, gut zu finden und anzustreben haben. Wem verdirbt das nicht die Stimmung?
Nun - am Nachmittag lichtete sich gestern auch im Thurgauer Grenzland der Nebel, die Sonne zeigte, dass sie es noch immer drauf hatte und ich schwang mich ziemlich enthusiastisch auf mein Bike. Etwas mehr als eine Stunde später kam ich nicht mehr ganz so sauber als zuvor wieder nach Hause und mir wurde deutlich, dass der Weg zum persönlichen Glücklichsein auf keinen Fall auf Hochglanzpapier gedruckt sein kann.
Ich brauche kein hochaufgelöstes Photo von irgendeiner Promi-Schnepfe um mir wehmütig ein anderes Leben in Miami zu wünschen um dem November zu entkommen. Es reicht mir, wenn ich über einen im Sonnenlicht dampfenden Trail brettern, dabei um Haaresbreite eine schlüpfrige Wurzel überspringen und am Ende zitternd und mit einem dümmlichen grinsen im Gesicht zum Stehen kommen kann. Die Zeit steht still, doch dieser kleine Moment ist eingefangen und wird mich auch noch drei Wochen später zum lächeln bringen, wenn ich daran zurückdenke. Und das absolut beste an der Sache: wenn ich die Zeit dafür habe, spricht nichts dagegen, gleich nochmals auf den Berg zu radeln und den Stunt zu wiederholen!

Wir lieben unseren Sport und haben in unserem Team das grosse Privileg, ihn mit Menschen zu teilen, die unsere Leidenschaft nicht nur verstehen, sondern sogar nachvollziehen können, da sie selbst ein Teil davon sind.
Fragt euch doch morgen früh einmal, wie es euch geht. Antwortet ihr euch selbst mit: "es könnte besser gehen", lasst nicht den Kopf hängen, sondern: tut etwas. Die Äusserung alleine birgt es ja schon in sich: es KÖNNTE besser gehen. Also lassen wir es uns besser gehen - durch unseren Sport oder durch andere schöne Dinge, die es trotz November vor der Tür noch immer zuhauf gibt.
Und wenn alles nichts hilft - in jedem Zug oder Tram findet ihr früher oder später eine Gratiszeitung. Einfach sammeln, zerknüllen, in die nächste Feuerstelle legen, Holz und Brandbeschleuniger darüber (das ist zumindest meine Variante) - und schon spricht nichts mehr gegen ein Winter-Barbecue. Denn auch das ist nett.

...zum Schluss möchte ich noch mein persönliches, nicht 100% ernst gemeintes "In & Out" der Woche mit euch teilen:

In:

Mit Blättern verdeckte Schlammlöcher beim Biken
Monster Energy Drink
Andreu Lacondeguy und die Black Media Crew

Out:

29er (sorry, René!)
Frühkiffer aus Spreitenbach
Treibholz auf der Bahn im Hallenbad (auch bekannt als militante Brustschwimmer)

...und wie ist das bei euch so?

Herzlichst,
Fabian




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